Collage II

 

Walter Angerer-Niketa
Wilhelm Drach
Marie-France Goerens
Alex Klein
Thomas Koch
Karl Kriebel, Ingeborg G. Pluhar
Veronika Rodenberg
Jesse Willems
Irene Wölfl
Guido Zehetbauer-Salzer

Ausstellung: 24.6. – 26.8.2022
zur Ausstellung: Mag.a Andrea Zehetbauer, Galerieleiterin

Die Collage ist eine Ausdrucksform, die sich bestehender Bildfragmente, Botschaften, oft unterschiedlicher Materialien bedient, um neue Erzählungen zu inszenieren. Die gerissenen oder geschnittenen Bildelemente ergeben abrupte Zäsuren, Brüche, radikale Wendungen oder geheimnisvolle Verhüllungen, um sich in einer neuen Komposition wieder zu erfinden. Die Ausstellung Collage II will die Vielfalt an Möglichkeiten innerhalb dieser Darstellungsmethode aufzeigen, an der Unterschiedlichkeit erfreuen.

 
Die Collagen von Walter Angerer-Niketa (1940 – 2021) entstanden in den 60er-Jahren, in einer Zeit, wo er an der Akademie bei Fritz Wotruba und dessen Assistent Josef Pillhofer studierte - bzw. kurz danach. Der Einfluss seiner Lehrer ist in diesen Arbeiten teilweise noch spürbar: figural, kubisch und doch erkennt man sein Bestreben um mehr Reduktion. In den Vorstudien zu seinen Skulpturen, und das ist das Spannende an den frühen Zeichnungen dieses Bildhauers, näherte er sich mit Überkleben von monochromen Flächen seinen angestrebten Komprimierungen sukzessive an. Die in dieser Zeit entstandenen Collagen nehmen einerseits das Ringen um Reduktion in seinen Stein- oder Holzskulpturen vorweg, lassen aber andererseits auch noch Wege der Möglichkeiten offen.
 
Der Maler Wilhelm Drach nutzt gerissene Kartonagenstücke, abgeschnittene oder abgebrochene Holzkistenreste, um seinen Bildern zusätzliche Struktur zu geben. Eine reliefartige Plastizität, ein Fremdkörper zunächst, wird von dem groben, großzügig puristischen Duktus harmonisch ins Bild eingebettet. Wie auch der Malgrund, stets naturbelassen, Teil der Farbkomposition ist, ist es der dazu geklebte Bereich noch tragender, Bild bestimmender, der Pinselzeichnung ebenbürtig.
 
Materialreste aus ihren unterschiedlichsten Experimenten sind für Marie-France Goerens kreatives Potenzial, Impulse für neues Entstehen. In diesem Fall der hier präsentierten Collagen handelt es sich um Leinwandreste. Rohe, grundierte oder bemalte Fragmente, die sie zu neuer, frischer, frecher Ästhetik formiert. Dabei können diese Elemente schon einmal über das Bildformat hinausstreben. Marie-France Goerens schafft ungezähmte Freiheit und wer sich mit solcherart Freiheit umgibt, kommuniziert seine eigene Selbstbestimmtheit.
 
Ein Künstler, der ebenfalls beständig neue Möglichkeiten auslotet, ohne sich selbst untreu zu werden, ist Alex Klein. Er ist vor allem auch ein Verwertungskünstler. So modelliert er aus älteren Arbeiten, wenn man sie ihm nicht rechtzeitig wegnimmt, neue Werke. Collagen gehören naturgemäß zu seinem Arbeitsrepertoire. Er nährt sich von Einflüssen, Strömungen, Ausdrucksweisen alter wie neuer Kunst, um diese als Korrektiv, als Impuls für seine tägliche Arbeit einzubinden. Die jüngsten Collagen spielen mit Leere und Fülle, entrümpeln Raum, um ihn selbst großzügig wirken zu lassen.
 
Thomas Koch konzentriert die Eindrücke seiner nahen Umgebung auf überschaubare Quadrate. Und obwohl all seinen Motiven zunächst reale Situationen an seinem Arbeitsplatz zugrunde liegen, sind es abstrakte Bildkompositionen, die nichts mehr mit dem ursprünglichen Impuls gemein haben. Sie sind Auslöser für eine sich verselbständigende Bildgestaltung. Sowohl als Zeichnung als auch als Farbgebung wurden sie eigenständige Abstraktionen. Diesen Arbeitsprozess sieht man eindrucksvoll bei seinen Buchdeckelarbeiten. Bücher als Impulsgeber, deren einfarbige Buchdeckelinnenseiten und die Gewebe der Buchrückeninnenseiten verschmelzen zu einem Bild aus rechteckigen Farbflächen.
 
Karl Kriebel inszeniert in seinen Collagen Raum-Möglichkeiten. Illusionäre Raumverschränkungen, sodass der einzelne Raum sich im Geflecht transparenter Konstrukte auflöst. In den Collagen für diese Ausstellung überarbeitet, erweitert er seine Architekturfotos mit seinen Dekonstruktionen. Das existierende Gebäude provoziert seine Intervention. Zunächst ist es nur eine Linie, aus der sich weitere Linien, Flächen, gemalt oder überklebt und wieder übermalt ergeben. Der Arbeitsprozess ist der Choreograf einer frischen, nicht erfassbaren Architekturlandschaft.
 
Ingeborg G. Pluhar emanzipiert sich bald nach ihrem Studium vom figuralen Dogma ihres Professors Fritz Wortuba. Sie hinterfragt austauschbare Modeströmungen, Kommentare und Werbeangebote. Bild- und Textfragmente solcherart Zeitzeugen gibt sie in ihren Collagen eine neue Bedeutung und Ästhetik. Es sind ironische Reflexionen einer Massenkultur. Ingeborg G. Pluhar verknüpft die Pop-Art mit feiner, sophistischer Gesellschaftskritik, mit feministischen Werten außerhalb des grellen Mainstreams. Gleichzeitig bleibt sie in all ihren Arbeiten stets als Bildhauerin sichtbar, spürbar.
 
Veronika Rodenberg ist absolute Puristin. Ihre Kompositionen von Vierecken, die sich aus analytischer Teilung des quadratischen Bildformats erschließen, sind unerwartet feine Konzentrate aus einer Vielfalt von Möglichkeiten. Möglichkeiten, deren Teile, Ebenen zwischen farbigem, mundgeblasenem Antikglas in der Tiefe variieren. Je tiefer die Fläche ihrer "verdichteten Transparenz", desto dunkler, ferner, geheimnisvoller erscheint sie. Ihre leuchtenden Farbquadrate sind verdichtete Rationalität und zugleich leuchtende Beispiele geometrischer Emotionalität, die traditionelle Werte im Heute zeitlos vereint.
 
Wie exotisch neu Collage sein kann - aus altem Papier geschnitten, gestückelt und auf dunklem Holz präsentiert, demonstriert eindrucksvoll Jesse Willems. Kreis, Viereck und Dreieck sind die Protagonisten seiner Inszenierungen. Wobei diese Grundformen der Geometrie abwechslungsreich durch Übereinanderschichten, Beschnitt und Vernetzung bzw. Kombination spannende Dramaturgien ergeben. Die Vielzahl an sichtbaren Schnittlinien zwischen wie innerhalb von den Elementen erweisen sich dabei als zusätzliche Facette im Spiel mit Strukturen, Brüchen und bizarren Harmonien.
 
Auch Irene Wölfl bewahrt in ihren Collagen Vergangenes. Seien es Tapetenreste, alte Fotos, Briefe, Verpackungsausschnitte. Sie will diesen Fundstücken, wie sie es nennt, eine zweite Chance geben. Die neue Aufgabe für die in Vergessenheit geratenen Zeitzeugen menschlicher Leidenschaft: sie will diese wieder der emotionalen Bereicherung des Alltags zuführen. So entstehen laufend virtuose Abstraktionen, geklebt und gefaltet, die Geschichten erzählen. Sensible Geschichten in der Hoffnung auf eine ökologischere, umweltbewusstere Zukunft.     
 
Der Wald: ein Lebewesen, dem WissenschafterInnen ein Bewusstsein zugestehen. Der Wald: ein Refugium außerhalb unserer Zeitdimension. Guido Zehetbauer-Salzer widmet sein malerisches wie zeichnerisches Interesse vor allem dieser symbiotischen Gesellschaft von Bäumen. Für diese Ausstellung Collage II umhüllt er seine dreidimensionalen Baum-Zeichnungen mit transparenten Papierstreifen. Dadurch bleibt die Zeichnung aus Drahtlinien unter dem Papierlaub erahnbar. Das Blätterkleid symbolisiert er mit zartem Papier, das schließlich einst ein Baum war. Wie gemeißelt und gleichzeitig luftig leicht.
  
Ausstellungsbesprechung Claudia Aigner, Wiener Zeitung online 18.08.2022     
Eroeffnungsrede AndreaZehetbauer 23/06/2022
Kurzbiografien der KünstlerInnen