Poesie kraft Struktur

 

Chantal Atelin
Thomas Koch
Martin Noël (1956 - 2010)
Christiane Reiter
 

Laufzeit: 18.9. - 5.11.2024

Risse im Asphalt, im zementierten Boden, Schatten an Fassaden – zufällige Strukturen inspirierten Martin Noël (1956-2010) zu abstrakten Holz- oder Linolschnitten. Die gewählten Ausschnitte der vorgefundenen Linienkonstellationen schnitt er in Linol oder Holz und druckte die erhabenen Flächen auf Schwarz. Die Granulation der Druckschichten verleihen jedem einzelnen Druckwerk eine gemalte Handschrift.
In der Serie „kleine Ottos“ fokussiert sich Martin Noël auf Farbfelder, Zitate aus Otto Freundlichs gemaltem Werk. Martin Noël verstand es, die Referenzen auf ein beeindruckendes Minimum zu reduzieren und damit eine neue Sicht der Farben und Formen zu schaffen.
Christiane Reiter lässt ihre Arbeiten anhand von erdachten Algorithmen entstehen, die sie von ungewollten Gestaltungsfragen befreien. Sie befolgt die zuvor festgelegten Regeln und führt diese in den meisten Fällen seriell und großflächig mit Buntstift aus. Das Werk entsteht so auf geheimnisvolle Weise und ist schließlich Ausdruck seiner eigenen, unabhängigen Bedeutung. Die vorangehende intensive, analoge Handlung des Be-Zeichnens gilt der besonderen Wertschätzung für das Werk als Subjekt und ist auch als therapeutische Gegen-Arbeit inmitten einer massiv verunsichernden Realität zu verstehen.
Chantal Atelin gestaltet Architekturen der Leere. Also offene, dekonstruktive, kubische Strukturen, die Räume abzirkeln, ohne einzugrenzen. Dabei kommt es eigentlich nicht auf den Raum an, sondern das Gerüst fasziniert durch sein, je nach Blickwinkel, neu erscheinendes Liniengeflecht. Es sind stets gerade Linien, die in Zick-Zack-Formationen, Unendlichschleifen oder spartanischen Verästelungen beeindruckende Gebilde zu Tage fördern, in denen man durchaus auch die Architektur des leeren Raumes entdecken oder sich an der Grafik der Struktur erfreuen kann.
Jede Skulptur erzeugt einen Schatten. Diese Schatten sind je nach Standort der Betrachter:innen nicht gleich und verändern sich je nach Lichteinfall und Zeit. Für ihre Wandarbeiten friert Chantal Atelin diese Lichtpassagen ein, indem sie die Schatten derselben Skulptur zu verschiedenen Zeiten auf Papier und dann in Metall nachzeichnet.
Thomas Koch bevorzugt es, sich im Kleinformat von 20 x 20 oder 30 x 30 cm auszudrücken. Dennoch wachsen seine Zeichnungen, Malereien, Collagen (oder alle  Techniken in einem) rhythmisch bis zu 150 x 150 cm an.Er strukturiert die größeren Flächen in kleine Einheiten, sodass er in seinem Lieblingsformat bleibt. Dabei bearbeitet er ein Quadrat nach dem andern mit behutsam komponierten Abstraktionen, um sie miteinander zu einer Einheit schlüssig zu verbinden. Und obwohl er die Inspiration für jeden Strich, für jede Fläche, den Gegenständen, den zufälligen Arrangements seines unmittelbaren Umfelds verdankt, liest man Kochs gemalte wie gezeichnete Poesien immerzu (gerne) abstrakt.