Feminale 23

 

Belinda Cadbury
Judith P. Fischer
Marie-France Goerens
Ingeborg G. Pluhar
Andrea Pernegr
Veronika Rodenberg
Tonneke Sengers
Irene Wölfl

zur Eröffnung sprach Mag.a Katrin Bucher Trantow - Chefkuratorin, Stv. Direktorin Kunsthaus Graz

Ausstellung: 16. Juni bis 12. September 2023

 

Feminale 23 präsentiert acht internationale zeitgenössische Positionen bildender Künstlerinnen unterschiedlicher Generationen im Dialog zueinander.
Die gezeigten Werke haben etwas gemeinsam: sie geben scheinbaren Nebensächlichkeiten, vergessenen oder gefundenen bzw. gebrauchten Materialien, im Rhythmus mutierenden Mustern, geometrischen Raumdeutungen oder mathematisch auf ein Minimum reduzierte Kompositionen Sinnlichkeit, Wert und Dauerhaftigkeit.



Judith P. Fischer geht es vor allem um Irritation. Mit dem Polster assoziieren wir Weichheit und Geborgenheit, Schlaf und Hingabe, Pflege und Fürsorge. Die Pölster aus der Serie PILLOWTALK sind aber keinesfalls weich, sondern hart und starr, wie eingefroren. Einige von ihnen wurden zeichnerisch weiterbearbeitet, mit feinen Bleistiftstrichen überzogen, wodurch die Oberfläche noch strukturierter, Höhen und Tiefen der Form betont werden. Es geht hier um eine Synthese von Objekt und Zeichnung. Und letztlich hängen auch Zeichnungen an der Wand. Denn die Zeichnung steht meist am Beginn aller künstlerischen bildhauerischen Überlegungen.

In der Collage-Serie „Leerfunde“ beschäftigte sich Ingeborg G. Pluhar mit in Hochglanzmagazinen der 70er-Jahre angepriesenen Dingen. Oder vielmehr mit dem Drumherum dieser Dinge. Werbeseiten mit einem in Szene gesetzten Alltagsgegenstand, den sie behutsam herausschnitt. Und gerade das Aussparen des eigentlichen Protagonisten macht das Alltagsding rätselhaft interessant. Andererseits, und das ist ihr noch wichtiger, hebt sie mit ihren Leerfunden, mit dem verbliebenen Umraum, etwa den Schatten, zum eigentlichen Star der ehemaligen Hochglanzseite.

Auch Andrea Pernegr widmet sich den Accessoires des täglichen Bedarfs, der Intimität des persönlichen Umfelds, in einer sehr expressiv abstrakten wie diesen Dingen liebevoll zugewandten Sprache. Auch sie zollt Nebensächlichkeiten in ihrer unbeschwerten Ausdrucksweise Respekt. Einfache, alltägliche Gebrauchsgegenstände oder Situationen ihres Gartens im mittleren Burgenland malt sie zu Oasen der Freude und Freiheit. Sie unterstreicht ihre Lust an diesem Umfeld, indem sie ihre Malereien immer wieder mit Glyphen ergänzt und so eine sehr individuelle Ausdrucksform von Schrift und abstrahierter Symbolik findet.

Die Arbeiten von Marie-France Goerens basieren auf einem Dialog zwischen „guter und schlechter“ Form, Perfektion und Ungenauigkeit, Realismus und Abstraktion. Ihre Materialien, oft gesammelte Reste von diversen Malgründen, benutzt sie entweder als Vorlage oder integriert sie als Realitätsfragmente in ihre Installationen. In den Arbeiten ihrer neuen Serie "WORK THE CANVAS" komponiert sie verschiedene, feinsinnig und zugleich gewagt abgestimmte Leinwandreste zu virtuos komponierten Textil-Collagen. Hier ist die Leinwand nicht bloß Trägermaterial für Farbe, sondern die grundierte oder pure Leinwandfläche mit ihren Fransen und Fäden aus Rissen und Schnitten das bestimmende Element selbst. Indem sie Reste aufhebt und in ihren Schaffensprozessen würdigend weiterverwendet, schafft sie komponierte Ordnung.

„Poems“ nennt Irene Wölfl ihre neue Serie, in der sie Texte alter Buchseiten zum Hauptakteur ihrer Werke macht. Irene Wölfl verwendet in all ihren Serien immerzu „Fundstücke“, wie sie es nennt. Weggeworfenes Verpackungsmaterial, vergessene Erinnerungen auf Dachböden oder Stoffreste, deren Blütezeit längst überschritten ist. Auch in der Serie „Poems“ bilden solche mit Geschichten behafteten Materialien den Rahmen, das Umfeld für die ausgesuchte Textseite. Irene Wölfls Intervention ist wie immer weitreichend, denn sie löscht die meisten Textzeilen durch Übermalung. Übrig bleiben neue Texte mit neuem Inhalt. Ein Markenzeichen ihrer Darstellungsmethode ist das Zeichnen mit Nähmaschine. Nähte unterschiedlicher Zwirnstärke und Farbe geben den vielen übereinanderliegender Schichten vergangener Zeiten Halt und zeichnerisch pointierte Performance.

So wie Gegenstände des täglichen Bedarfs, Malmaterialien oder Fundstücke aus der Vergangenheit Inspirationsquellen, ja Werkstoffe für neue Interpretationen sein können, wenn allzu Gegenwärtiges in dieser Ausstellung eine neue Wertigkeit erfährt, dann erweitern die Arbeiten der britische Künstlerin Belinda Cadbury auf etwas andere Art den nachhaltigen Zugang für Allgegenwärtiges. Belinda Cadbury schummert geometrisch konkrete Muster, Grauwerte auf Zeichenpapier. Muster sind Raster, die sich durch unendliche Wiederholung auszeichnen. Allerdings nicht so bei Belinda Cadbury, denn sie bricht die Monotonie mit unerwartetem Rhythmuswechsel, deren Grautöne unbewusste Irritationen, Aufmerksamkeit und Spannung bewirken. Wie eine gleichmäßige, immer wiederkehrende Melodie, die von Zeit zu Zeit durch feine fremde Harmonien im gewohnten Hörschema wohltuend bereichert wird.
Belinda Cadbury

Eine andere Facette, Gewohntes so darzustellen, dass es zu einer ungewohnt neuen Erfahrung wird, demonstriert die niederländische Künstlerin Tonneke Sengers. Sie formt flächige Geometrie, etwas vor der Wand schwebende Rhythmen, zu architektonischen Raumillusionen. Die Konstruktionen der Schrägriss-Bauelemente schneidet sie aus Holzplatten oder Aluminiumpaneele, wobei die Auslassungen mit ihren Schatten an der Wand dahinter eine zusätzliche Facette von Dreidimensionalität vermitteln. Dabei strebt sie nach Objektivität, nach Klarheit und Logik, woraus sich ein für den Minimalismus untypischer Aspekt generiert: die Individualität. Und genau diese Individualität macht ihre Werke auf eine stille Art hervorragend.

Die deutsche Künstlerin Veronika Rodenberg verarbeitet in ihren Minimalismen den Anspruch an das Schwarze Quadrat. Ein Nullpunkt in der Kunstgeschichte, der bei Veronika Rodenberg durch Teilung und Farbakzent eine erweiterte Interpretation erfährt. Ihre quadratischen Minimalismen sind mehr als ein Quadrat, sind mit wenigen Bildebenen faszinierende Raumillusionen. Ihre Bilder sind abstrakte Räume, die mit wenigen Elementen ein Fenster in die Unendlichkeit öffnen. Jede Komposition unterliegt einem logischen Prinzip. Veronika Rodenbergs Purismen sind nicht allein verdichtete Rationalität, vielmehr sind sie Höhepunkte mathematischer Harmonie voll emotionaler Qualität.